»Das Schweizer Taschenmesser der Wirtschaftswissenschaften«, so nennt die Uni Hohenheim den Studiengang Wirtschaftspädagogik. Er verbindet wirtschaftswissenschaftliche Fächer mit Psychologie und Pädagogik. Absolvent:innen können sich anschließend zwischen einem Berufsweg im öffentlichen Dienst oder in der freien Wirtschaft entscheiden: Sie unterrichten kaufmännische Inhalte an Berufsschulen und Fachgymnasien – oder beschäftigen sich mit Weiterbildung und Recruiting in Unternehmen.
Pauline Köhler, 24, studiert Wirtschaftspädagogik an der TU Dresden im dritten Mastersemester. Hier erzählt sie, warum man sich nicht zu spät für einen Weg entscheiden sollte und wie sie ihre Angst vor Mathe abgelegt hat.
Die Entscheidung für Wirtschaftspädagogik
»Nach dem Abi habe ich eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht. In dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich mich besonders für wirtschaftliche Fragen begeistere und danach etwas in diese Richtung studieren möchte. Meine Eltern haben dagegen schon immer eine Lehrerin in mir gesehen. Ich bin kommunikativ und erkläre gern – verliere aber nicht die Geduld. Meiner kleinen Schwester habe ich mehr als eine Nachhilfestunde gegeben.
Eine Referendarin an der Berufsschule hat mich schließlich auf den Studiengang Wirtschaftspädagogik gebracht. Lehrerin werden und Wirtschaft studieren – für mich war das die perfekte Kombination.
Hochschulreife: Nicht immer ist das Abitur notwendig. Auch mit einer Fachgebundenen Hochschulreife ist ein Studium unter Umständen möglich.
Numerus clausus: An einigen Hochschulen ist Wirtschaftspädagogik zulassungsbeschränkt. Der NC liegt im Durchschnitt zwischen 2,1 und 2,6.
Praxisbezug: Eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung ist vorteilhaft, an den meisten Unis aber keine Voraussetzung.
Mathe und Englisch: Fast alle Hochschulen empfehlen Vorkurse in Mathematik und Englisch (Niveau B2).
Was man noch mitbringen sollte: kommunikative Fähigkeiten, Teamgeist und keine Angst vor Mathe
Hier in Dresden ist Wirtschaftspädagogik ein relativ kleiner Studiengang: Im Bachelor waren wir etwa 26 Leute pro Jahrgang. Weil man zu Beginn viel mit Studierenden aus anderen Wirtschaftswissenschaften in den Vorlesungen sitzt, ist man trotzdem nur eine unter Hunderten. Freundschaften und gemeinsame Seminarprojekte mit Kommiliton:innen waren deshalb sehr wichtig für mich – auch, um nicht aufzugeben.«
Inhalte und Aufbau des Studiums
»Gerade die ersten Semester waren kein Zuckerschlecken. Ehrlich gesagt: Ich hätte nicht gedacht, dass es so anspruchsvoll wird. Am anstrengendsten waren die Basismodule, die alle wirtschaftswissenschaftlichen Bereiche grundlegend abdecken sollen, etwa Finance, Controlling oder Marketing. Das soll helfen, sich später zu spezialisieren.
Die Kurse dazu hatten wir mit Studierenden aus den Wirtschaftswissenschaften und aus dem Wirtschaftsingenieurswesen. Häufig haben wir trockene Theorien durchgekaut, auch Niveau und Lernpensum waren hoch. Da musste man manchmal schon die Zähne zusammenbeißen. Ich würde jedem, der Schwierigkeiten hat und dennoch für das Fach brennt, ans Herz legen, sich Lerngruppen zu suchen und vielleicht sogar Nachhilfe zu nehmen.
»Gerade die ersten Semester waren kein Zuckerschlecken.«
Studentin Köhler
Manche Fächer waren allerdings auch eine positive Überraschung. Wirtschaftsinformatik, Programmierung und Datenbanken – als ich das am Anfang gelesen habe, dachte ich, damit hätte ich gar nichts am Hut. Jetzt habe ich mich darauf spezialisiert. Meine Masterarbeit schreibe ich über digitale Assistenten in der Berufsschule. Solche ›Pedagogical Agents‹ können auf Lernplattformen integriert werden und unterstützen die Lernenden bei Fragen und Problemen. Ein wenig wie Siri oder die Büroklammer bei Microsoft – nur speziell für Lerninhalte.
Auch vor Fächern wie Statistik und Mathematik habe ich mich am Anfang gefürchtet. In der Schule war ich nie besonders gut in Mathe. Aber ich habe mich hingesetzt, gelernt und immer das Ziel vor Augen behalten: einen guten Abschluss machen. Am Ende habe ich alles bestanden. Das Studium ist also nicht nur für Mathe-Cracks machbar. Die meisten Hochschulen bieten auch Vorkurse an.
Typische Pflichtfächer: Mathematik für Ökonomen, Statistik I & II, Wirtschaftsrecht, Interne Unternehmensrechnung, Einführung in die Finanzwirtschaft, Marketing, Betriebliche Entscheidungstheorie, Grundlagen des Personalmanagements, Pädagogische Psychologie, Bildungswissenschaftliche Grundlagen
Mögliche Wahlbereiche: Management, Innovation und Marketing, Digital Business, Nachhaltiges Wirtschaften, Economic Behaviour and Governance
Die Pflichtbereiche setzen sich meist aus Wirtschaftswissenschaften, Pädagogik und einem Wahlbereich zusammen. Wer danach in die Lehre möchte, sollte hier sein zweites Unterrichtsfach wählen – also etwa Biologie, Chemie, Deutsch oder Englisch. Alternativ gibt es verschiedene Wahlmodule aus BWL und VWL.
Die Studienverlaufspläne der Universität Duisburg-Essen oder der Universität Göttingen zeigen, wie das Studium genau aussehen kann.
Viele haben ja das Vorurteil, Wirtschaftswissenschaftler:innen würden sich nur mit Theorien auskennen – und wenn sie dann ins Unternehmen kommen, können sie nichts. Das stimmt für meinen Studiengang nicht, denn durch Wahlfächer, Projektarbeit und Praktika wächst der Praxisbezug ab dem vierten Semester. Man spezialisiert sich langsam und bekommt die Chance, mit verschiedenen Unternehmen zusammenzuarbeiten.
Gerade die Projektarbeit hat mir – trotz des hohen Aufwands – sehr viel Spaß gemacht. Im Modul ›Innovation and Product Management‹ etwa haben wir in Teams den Prototyp eines Produkts entwickelt. Unserer war für Douglas: eine Gesichtsmaske, die das Hautbild analysiert und in Zusammenarbeit mit Dermatolog:innen individuelle Produkte empfiehlt. In anderen Seminaren schreibt man am Ende des Semesters Klausuren oder Hausarbeiten. Das ist ganz unterschiedlich.«
Berufsaussichten nach dem Studium
»Nicht alle gehen nach dem Studium als Lehrkräfte an eine Berufsschule. Viele möchten in die Wirtschaft und beispielsweise im Recruiting arbeiten. Für mich ist die Entscheidung im vierten Semester gefallen: Jeder von uns musste ein Praktikum an der Berufsschule machen. Ich bin beim Unterrichten richtig aufgeblüht und habe beschlossen, Master und Referendariat dranzuhängen.
»Meine Eltern hatten also doch recht: Ich werde Lehrerin.«
Studentin Köhler
Um verbeamtet zu werden, benötigt man ein zweites Unterrichtsfach. Weil ich mich bisher im Wahlbereich für Wirtschaftswissenschaften und nicht für ein zweites Fach entschieden hatte, hole ich das gerade nach und belege neben meinem Master noch 60 Leistungspunkte in Ethik-Philosophie. Letztlich ist es also besser, sich möglichst früh für einen Berufsweg zu entscheiden.
Mein Vorpraktikum im Master habe ich dann in einer Schule für Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen gemacht, die dort die Möglichkeit bekommen, eine richtige Ausbildung zu machen. Die Berufsschüler:innen hatten so viel Bock auf den Unterricht und große Freude daran, Neues zu lernen. Da bin ich richtig glücklich aus dem Klassenraum gegangen.
Meine Eltern hatten also doch recht: Ich werde Lehrerin.«
Ein Studiengang, zwei Berufsfelder – damit wird das Fach Wirtschaftspädagogik gern beworben. Wer als Lehrkraft an die Berufsschule möchte, muss nach dem Masterstudium den sogenannten Vorbereitungsdienst durchlaufen, auch Referendariat genannt, und kann sich verbeamten lassen. Danach werden Berufsschullehrer:innen nach der Kategorie A13 besoldet.
Für Unternehmen können Wirtschaftspädagog:innen beispielsweise im Personalmanagement oder in der Weiterbildung arbeiten. In der Personalentwicklung liegt das Durchschnittsgehalt laut StepStone-Gehaltsreport 2023 bei 47.500 Euro brutto im Jahr. Auch in Verbänden, bei Kammern oder öffentlichen Einrichtungen können Absolvent:innen in der Bildungs-, Berufs- und Arbeitsberatung tätig werden.
Author: Michael Thompson
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